Kunst zu stolpern

Alles ist sehr freundlich, viele Materialien sind aus Holz und fast jeder Raum, jeder Türbogen und jede Wand sieht anders aus. Sie sind verziert oder bemalt, überall hängen Plakate und ein freundlicher Empfang ist eine Selbstverständlichkeit, denn hier sind alle willkommen.
Die Rede ist vom Allerweltshaus in Köln-Ehrenfeld – ein interkulturelles Begegnungszentrum für Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen hier sind und aus den verschiedensten Nationen der Welt kommen. Hier, in den Räumlichkeiten, findet auch das Tanztheaterprojekt „Von der Kunst zu stolpern“, begleitet von Regine Bree, Theaterpädagogin und Schauspielerin, statt. Die Gruppe, die sich hier trifft, besteht aus elf Mitgliedern und trifft sich einmal, teilweise aber auch zweimal wöchentlich.
Das Wichtigste in dieser Gruppe ist, dass alle Vertrauen zu einander haben und sich aufeinander verlassen können, denn alle hier haben eine Gemeinsamkeit: ihre Psychiatrieerfahrung.
Zu Beginn gibt es eine Begrüßungsrunde mit Tee und Kaffee und die Gruppe stimmt sich auf den bevorstehenden Nachmittag ein. Danach geht es darum, erst einmal anzukommen: Begleitet von Musik laufen alle Beteiligten durch den Raum, suchen sich Orte, an denen sie sich wohlfühlen, bewegen sich in bestimmten Mustern oder ahmen die Position der anderen nach. Elementar ist dabei, dass sich alle in ihrem eigenen Rhythmus und in der Geschwindigkeit bewegen, die sie für richtig halten. Die Theaterpädagogin Regine Bree gibt dabei Impulse, welche Formen und Muster die Teilnehmer bei den Bewegungen einnehmen könnten. Wer sich traut, kann sich einen Partner aussuchen und ihn bei der Hand nehmen, oder mit ihm zusammen tanzen. Was außerdem sofort auffällt, ist, dass alle mit Begeisterung mitmachen, sich ausprobieren und ständig lachen müssen.
Es lässt sich also sagen, dass die Stimmung trotz der persönlichen Schwierigkeiten hier ziemlich humorvoll und gelassen ist.
Ziel der gesamten Theaterarbeit ist unter anderem, einen Film und professionelle Fotos zu produzieren, die die eigenen Probleme darstellen und sie für andere verständlich machen. Die Teilnehmer nutzen verschiedene Herangehensweisen, um ihre Geschichten festzuhalten und sich Geschichten auszudenken. Eine Möglichkeit zum Beispiel ist, dass sich alle in einem Kreis aufstellen und ein Teilnehmer in die Mitte geht und eine Position einnimmt. Jemand anderes kommt hinzu, ergänzt diese Position mit einer eigenen und sagt etwas dazu. Im Lauf der Zeit entstehen so die absurdesten Geschichten, die dann später eventuell auch verfilmt werden. Auch Malerei ist eine Möglichkeit, mit der die Teilnehmer ihre Erlebnisse, aber auch ausgedachte Geschichten zu Papier und sich selbst zum Ausdruck bringen können.
Viele hier kennen sich selbst sehr gut, da sie sich aufgrund ihrer Erkrankungen sehr viel mit der eigenen Persönlichkeit beschäftigen – dies öffnet den Blick für viele kleine Dinge im Leben und beeinflussen somit auch die Theaterarbeit oft in positiver Weise. Die Arbeit hier bedeutet den Teilnehmern sehr viel, da sie ihnen die Möglichkeit gibt, eigene Gedanken, Phantasien und unangenehme Erlebnisse durch positive Erfahrungen zu ersetzen und sie objektiv mit sich selbst zu beschäftigen. Einer der Teilnehmer berichtet: „Wenn ich hier bin, dann lebe ich im Hier und Jetzt in der Gegenwart, und höre auf, zu viel über alles nachzudenken.“ Auch Regine Bree findet es unglaublich mutig, dass mehrere Teilnehmer bereit sind, sich vor die Kamera zu stellen und damit zu zeigen, dass sie das Bedürfnis haben, sich auszudrücken. Klares Ziel der Gruppe ist: „Endlich raus aus der Ausgrenzung und reduzierten Wahrnehmung“. Die Teilnehmer sollen lernen, wie sie ihre eigene Stärke, Sensibilität, Angst und Schönheit zeigen.