Kleine Jungs kleine Kunst – große Jungs große Kunst
Unser Blick auf die Kunst ist nicht geschlechtsneutral. Er ist geprägt durch geschlechtsdominante Strukturen in der Gesellschaft und der Wissenschaft.
Natürlich war das Genie männlich – in der Denkweise des 19.Jarhunderts. Max Klinger bringt die Sache auf den Punkt. Das tragische, bürgerliche, männliche Genie, verunsichert durch die aufkommende Emanzipationsbewegung reagiert mit Nietsche, Héroux und Greiner, indem übergeschlechtliche Philosophien postuliert werden.
Die Kunstgeschichtsschreibung tat das ihre dazu, ein einseitiges Bild künsterischer Produktion aufrecht zu erhalten. Realität und Kunstgeschichtsschreibung problematisiert eine aktuelle Ausstellung im Schirn in Frankfurt . Die dort ausgestellten Impressionistinnen waren vollständig gleichberechtigte Mitglieder in der Impressionistengruppe und im Paris des 19. Jahrhunderts, wichtige Vertreterinnen dieser urbanen Kultur. Meyer Gräfe, ein wichtiger deutscher Kunsthistoriker, der 1904 die “Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst” geschrieben hat, erwähnt sie aber überhaupt nicht. Bei ihm gibt es nur männliche Impressionisten. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit – zumindest ab dem 19. Jahrhundert – die “männliche” Sichtweise auf die Kunstproduktion die Sichtweise eines patriarchatsgeprägten Wissenschaftsbetriebes ist, die wenig mit der Realität gemein hat. Das Vorurteil reflektiert also nicht unbedingt eine reale Erscheinung, sondern eher das durch die Wissenschaft und Medien geprägte Bild der Realität. Die moderne Kunstgeschichte hat das Problem erkannt und wendet sich zunehmend methodisch und fachkritisch den Gegenständen neu zu.
Die Vorstellung von der Dominanz männlicher Künstler aktuell in der Bundesrepublik ist eher eine unreflektierte Übernahme von Vorurteilen und ideologischen Konstrukten denn Realität.
In den Statistiken der Künstlersozialkasse sind von 57.000 registrierten Künstlern 27.000 weiblichen und 30.000 männliche. Bei den Berufsanfängern ergibt sich allerdings eine sehr starke Schere. Von 6000 Berufsanfängern in der bildenden Kunst sind 3600 weiblich und nur 2400 männlich. Männlich dominiert ist somit die Kunst keinesfalls, gemessen an der Anzahl der VertreterInnen. Interessant wird nun wiederum die Frage nach der Verteilung innerhalb der Branche nach erfolgreichen und weniger erfolgreichen Künstlern und Künstlerinnen. Die Spitzengruppe, also die Künstler und Künstlerinnen, die auskömmlich von ihrer Kunst leben können ist extrem klein. Weit über 90% erzielen ein Einkommen von 13000.- € pro Jahr. Genaue Zahlen über die Zusammensetzung dieser Spitzengruppe liegen leider nicht vor, bei einer derartigen Einkommensverteilung jedoch sind zwangsläufig beide Geschlechter fast gleich betroffen.
Das alles soll hier nur angeschnitten werden. Deutlich wird aber, dass man heute dem Thema durch schnelle Antworten gerecht werden kann.Ich möchte den Fokus auf die ästhetische Forschung legen, weil sich aus einer Analyse des ästhetischen Verhaltens von Kindern und Jugendlichen neue Perspektiven ergeben und dringender Handlungsbedarf besteht. […]
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